Berlin, 22. Juni 2016

Seit der Eröffnung am 13. März 2016 entwickelt sich SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. additiv und kräftig. Hier finden Sie die aktuellen und kommenden Ausstellungen.

Viele Menschen besuchen unsere Ausstellungen und machen mit!

Verfolgen Sie die Aktivitäten des SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. Teams bitte auch auf Facebook und Instagram.
AKTUELL:

DAS SICHTBARE UND DAS UNSICHTBARE.
Leiko Ikemura, Der Schrei, 2016
Micha Ullman, Seconda Casa, 2004
13. März 2016 bis 31. Oktober 2017
Berliner Dom, Am Lustgarten, 10178 Berlin

KIRCHEN ÖFFNEN SICH DER KUNST.

,War und ist Berlin die atheistische Kapitale?‘  Eine Frage, die den Ausstellungsmacher Alexander Ochs nun schon seit einigen Jahren umtreibt. ,Oder ist das weltoffene Berlin mit seinen Bürgerinnen und Bürgern aus 189 Ländern der Welt vielmehr ein spiritueller wie kultureller Melting Pot?‘

Die von ihm angeregte Ausstellungreihe SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. geht dieser Frage nach und sucht nach einer Antwort. Gleich neun evangelische  und katholische Berliner Kirchen sowie die Stiftung Neue Synagoge Berlin-Centrum Judaicum werden bis Dezember 2016 in ihren Räumen über hundert zeitgenössische künstlerische Positionen aus aller Welt präsentieren. Den Abschluss der Reihe bildet, anlässlich des Reformationstages, im Oktober 2016 eine Ausstellung in der Erlöserkirche in Jerusalem, wo u.a. der israelische Künstler Micha Ullman im Kreuzgang installieren wird.


Ortsspezifische Herausforderungen

SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. lief Mitte März 2016 in Berlin unter großem Publikumszuspruch an. Zusätzlich zu den verlängerten Schauen im Berliner Dom und in St. Thomas von Aquin werden im Mai drei weitere Ausstellungen und Interventionen eröffnet. Jede der am Projekt teilnehmenden Kirchen stellt in ihrer architektonischen Besonderheit eine Herausforderung dar und verlangt nach einer sensiblen ortsspezifischen Lösung, die oft mit den in den Kirchen Verantwortlichen, mit Pfarrern und Patres, mit Mesnern und Beiräten der Gemeinden entwickelt wird.

So etwa bei ECCE HOMO? ECCE HOMO! in der erst in den 2000er  Jahren eröffneten Kirche St. Canisius am Lietzensee. Der lichtdurchflutete weiße und nahezu bilderlose Raum erinnert an ‚innere Räume‘ wie ‚Makom‘, an die ‚heilige Leere‘ der Christen sowie die Idee der Bilderlosigkeit in der jüdischen Ikonografie. Und nun werden Innen- wie Außenraum mit (meist) figurativer Kunst aufgeladen und in Korrespondenz gebracht.

In St. Michael am Engelbecken sind Werke der Indonesierin Arahmaiani Feisal, des vietnamesischen Künstler Bui Cong Khanh sowie der in Berlin lebenden Hannah Hallermann zu sehen, die sich mit islamischer, christlicher und buddhistischer Ikonografie auseinandersetzen. Liturgische Gewänder, Gebetsbänke und eine Statue des Heiligen St. Michael beziehen die Künstler bewusst in das Raumkonzept mit ein. Readymades – in ihren Augen. ‚Die Kunst ist schon in der Kirche. Über Readymades‘ lautet deshalb auch der Titel dieser Ausstellung in St. Michael.


Madonna und Migrantin

Die Kirche St. Marien am Alexanderplatz, die älteste Berliner Predigtstätte, in der 1964 auch Martin Luther King predigte, wiederum öffnet sich – in Anlehnung an die mit Marienbildern versehene Ausstattung – dem aktuellen Thema ‚Das Kopftuch der Migrantin. Ihr Kreuz tragen‘.
SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. wird im Rahmen des Programms ,Die Reformation und die Eine Welt‘ von der Beauftragten für Kultur und Medien bei der Bundesregierung, Monika Grütters, sowie von zahlreichen weiteren Partnern gefördert. Noch nie haben sich die Kirchen in solch großem Maße an der Finanzierung eines zeitgenössischen Kunstprojektes beteiligt und noch nie gab es eine so aktive Interaktion zwischen Künstlerinnen und Künstlern und den Kirchen. In den sakralen Räumen entwickelten die Werke eine ganz eigene Kraft, spürt auch Georg-Maria Roers SJ. ‚Viele Menschen empfinden diese Energie, selbst wenn sie ansonsten keinen Bezug zur Kunst haben‘. In diesem Sinne sieht der Kultur- und Kunstbeauftragter der Erzdiözese Berlin es als seine Aufgabe an, Kunst und Kirche zusammenzubringen, bevorzugt auch im ökumenischen Kontext.

Gegenwärtig fügen sich in St. Thomas von Aquin ein Kreis des Land Art-Künstlers Richard Long aus versteinerten Zedernholzstücken sowie die Skulptur ‚Für Fußwaschung‘ von Joseph Beuys aus dem Jahr 1977 unmittelbar in den Altarraum ein und treten mit Kreuz und Altar in Bezug.

Ganz offensichtlich gibt es ein tiefgehendes Bedürfnis der Menschen nach Spiritualität, wie bereits die Resonanz auf die von Alexander Ochs kuratierte Ausstellung ‚Du sollst dir (kein) Bild machen‘ verdeutlichte:  60.000 Besucher, darunter Touristen aus aller Welt,  waren 2015 in den Berliner Dom gekommen, um die Schau zu sehen.


Die Wunden zeigen

Mit SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. gehen wir einen Schritt weiter, erklären die Initiatoren. Nicht mehr das Verhältnis von Kunst und Religion stehe im Vordergrund: Stattdessen sei es das Ziel der Ausstellungs- und Veranstaltungsreihe, eine Beschreibung von Lebenswirklichkeiten, Glaubenswelten und gesellschaftspolitischen Realitäten zu reflektieren. Die Wunden zu zeigen und die Kunst als schöpferisches Kapital und – nicht als nur ökonomisches Spekulationsobjekt- zu sehen, sei aktueller denn je.

Die Kirchen öffnen sich und bleiben dabei Kirchen. Sie werden nicht zu Museen und nicht zu Galerien. Die präsentierte Kunst konnotiert sich neu und macht ihren spirituellen Hintergrund wie ihre gesellschaftspolitische Relevanz dadurch wieder sichtbar.

Oft entstünden so wunderbare Meditations- und Reflexionsräume, beschreibt Alexander Ochs. Stille Orte, in denen unzählige Menschen Schönheit, Ruhe und Gelassenheit finden könnten. Und so Empathie und Solidarität für das tägliche Leben zu entwickelten. Ochs betont, dass die Ausstellung in Kirchen nicht als ‚letzter Schrei‘ in der Kunst-Präsentation, als ‚contemporary hip‘, zu sehen sei. Vielmehr handele es sich bei den Kirchen um diejenigen Orte, in denen sich eine mehr als zweitausend Jahre alte Spiritualität manifestiere, an christliche Häuser als Teil einer christlichen Kultur, aus der – bei allen Widersprüchen – letztendlich auch die zeitgenössische Kunst Europas erwachsen sei.