Die polnische Künstlerin Marta Deskur wurde 1962 in Krakau geboren, sie lebt und arbeitet dort. Ihr Kunststudium und Artist in residence – Programme führten sie nach Frankreich, New York, in die Dominikanische Republik und ins Berliner Künstlerhaus Bethanien. Während dieser Zeit wohnte Deskur im türkisch geprägten Stadtteil Kreuzberg, wo sie, anknüpfend an ihr bisheriges Werk, die Arbeit Fanshon II entwickelte, die nun im Rahmen von SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. in St. Marien zu sehen ist. Dafür filmte und beobachtete Deskur kopftuchtragende Frauen.
Kopftücher sind oft Ausdruck religiöser Zugehörigkeit. Im orthodoxen Judentum ist es für verheiratete Frauen noch heute Brauch, ihr Haar zu bedecken (Genesis 24,64-65). Auch im Christentum wird das Kopftuch im Alltag vor allem von Frauen der orthodoxen Kirchen und in einigen mennonitischen Gemeinschaften getragen, in vielen anderen Kirchen ist es für Frauen üblich, das Haupt zumindest beim Gebet zu bedecken (1.Kor. 11,5). Bemerkenswerterweise ist das Kopftuch jedoch gerade für muslimische Frauen gebräuchlich geworden, obwohl im Koran keine diesbezüglichen Vorschriften zu finden sind.
Marta Deskur stach die Diversität der Kreuzberger Haarbedeckungen ins Auge. Vielfarbig, gemustert, verschiedenartig gebunden oder gesteckt – als Modeaccessoire sind sie individueller Ausdruck der Frauen und inspirierten die Künstlerin zu einer Videoperformance. Den Modeaspekt kehrt Deskur auch durch den Titel der Arbeit hervor, indem Sie das polnische Wort „fanszon“ (ein dreieckiges, im Nacken zusammengebundenes Kopftuch) mit dem englischen „fashion“ (Mode) zu einem Neologismus kombiniert.
In Fanshon II bearbeitet Marta Deskur das Thema erneut in einer haptischeren Weise. Losgelöst von den Frauen und aus der Umgebung herausgenommen, nutzt die Künstlerin nur das Bild der gebundenen Tücher, um Keramikfliesen ornamental zu verzieren. Eine Reminiszenz an die bilderarme, ornamentale islamische Kunst? Ikonografisch betrachtet, verkehrt Deskur das berühmte Sudarium – das Tuch der Veronika, in das sich das „vera ikon“, das wahre Antlitz Christi, abdrückte – indem sie den Schleier selbst in die Fliesen einschreibt. Letzten Endes stehen die Betrachtenden vor Abbildern einer Vielzahl bunter Hüllen, die losgelöst von kulturellen, sozialen, theologischen, politischen und Gender-Debatten ebendiese fast ad absurdum führen.
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