Alexandra Ranner ist Professorin für Bildende Kunst an der Berliner UdK/Universität der Künste. In den 1990er Jahren studierte sie Kunst in München und Lissabon. Installationen, Filme, Fotoarbeiten, Skulpturen – ihr Oeuvre ist breit und vielfältig, doch kreist es stets um die Auseinandersetzung und syntaktische Aufladung von Architektur und Räumen. Um ortsgebundene Objekte, die durch die Hand der Künstlerin in Spannung versetzt werden und von Bewegung und Leben zeugen.
Die Plastik in unserer Ausstellung trägt keinen Titel. Vielleicht, weil die Künstlerin selbst dem Werk noch beobachtend gegenübersteht und es als ein Objekt im Entstehen begreift. Gegossen hat sie das Modellhaus aus Gips, danach systematisch zerstört. Eine abgetragene Seite klafft als offene Wunde und bringt die Statik bedenklich ins Wanken. Der Eindruck entsteht, das Haus könne jederzeit in sich zusammenfallen. Spannung erzeugt überdies der wankende Untergrund. Das Modell steht nicht auf festem Boden, sondern wird allein von Winkeln auf einem rollenden Untersatz gehalten. Dennoch wirkt die Plastik auch aufrecht und erhaben, streckt uns ihr gebeuteltes ‚Angesicht‘ offen, fast stolz entgegen.
2013 schuf Ranner eine vergleichbare Skulptur, die sie Portrait nannte. Der Bezug zum Menschen liegt auf der Hand. Martin Heidegger bezieht die Symbolkraft des Hauses auf den Erdenbürger, der sein Leben gebunden an Raum und Zeit verwirklicht. Menschsein heißt als Sterblicher auf Erden sein, heißt: Wohnen. Auf das Symbol Haus bezogen heißt das: Es ist mehr mit dem Haus gemeint als das Gebäude. Hier gehören alle familiären, verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen dazu. „Diesem Haus ist heute Heil widerfahren“, sagt Jesus zu Zachäus (Lk 19,9) und meint damit das Heil, das der Familie widerfährt und das hat Auswirkungen auf die ganze Dorfgemeinschaft.
„Das Haus ist ein lebendiges Wesen“, titelt das Institut zur Erforschung Holistischer Architektur. „Es atmet. Trinkt. Empfängt Energie und gibt sie wieder ab. Es ist Teil des umgebenden Systems und seiner Stoffkreisläufe. Es verändert sich, ist nicht statisch. Wehrt sich nicht, sondern nimmt und gibt. Ist Hülle für Leben.“
Problematisch wird es, wenn diese bergende Hülle wegbricht. Wenn zerstörte Häuser den Aufbruch erzwingen. Zwangsläufig erinnert uns o.T. (Haus II) auch an Medienbilder, die uns seit Jahren täglich konfrontieren: Zerstörte Neubauten im Gaza, in Aleppo, in Damaskus und anderswo auf den Kriegsschauplätzen dieser Welt.
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