Ist Berlin die Metropole der Kunst? War und ist Berlin die atheistische Kapitale? Oder ist das weltoffene Berlin mit seinen Bürgerinnen und Bürgern aus 189 Ländern der Welt spiritueller wie kultureller Melting Pot? 499 Jahre nach Martin Luthers Reformation finden Künstlerinnen und Künstler aus Berlin und aller Welt, findet ihre Kunst Platz in neun evangelischen und katholischen Kirchen. Und sie schafft sich Raum in einer Synagoge wie auch in der Erlöserkirche in Jerusalem. Ihre Themen, die Themen der Künstler wie der Religionen sind die des ‚Seins‘, des Wesens menschlicher Existenz. Einer menschlichen Existenz und der ihr zugeschriebenen Verantwortung für sich und für den Anderen. Kunst und Spiritualität reflektieren das ‚Gesicht des Menschen‘ in seiner Einzigartigkeit und unternehmen den Versuch, jedem Individuum die ihm eigene Würde zu geben. Kunst und Religion, die ungleichen Geschwister, stellen Fragen nach den Körpern: den göttlichen, den lebendigen, aber auch den stigmatisierten und den toten, wie den Körpern der im Mittelmeer Ertrunkenen. Joseph Beuys verlangte: Zeig mir Deine Wunde und stellte 1979 eine neue Gleichung auf: Kunst =Kapital. Die Wunden zu zeigen und die Kunst als schöpferisches Kapital, nicht als nur ökonomisches Spekulationsobjekt, zu sehen, ist aktueller denn je. So, wie auch Martin Luthers bald 500 Jahre alte These, die sagt, dass kein Mensch durch Sicherheit Gnade erreichen kann. Freuen wir uns also auf das Risiko. Das Risiko, in das uns Kunst wie Religion führen kann.

– Alexander Ochs, Kurator für Bildende Kunst am Berliner Dom, Berlin, März 2016