Demutsübung 1 ist ein kleine, minimalistische Plastik Hannah Hallermanns, die es in sich hat. Die Künstlerin erblickte 1982 in Nürnberg das Licht der Welt. Ihr Studium führte sie nach Nizza, Köln und Dresden, bis sie sich in Berlin niederließ. Hier arbeitet sie heute an Skulpturen, Installationen und Drucken, die thematisch eine ganze Palette philosophischer und globaler Inhalte abdecken.
Unter dem Titel DIE KUNST IST SCHON IN DER KIRCHE wird Hallermanns Werk in die Apsis einer katholischen Kirche gestellt. Ihr gegenüber steht eine Kniebank vor einer Madonnenskulptur. Kommentiert Hallermanns Plastik in seiner schnörkellosen grauen Eleganz eines zeitgenössischen Designobjekts religiöses Gebrauchsmobiliar? Der Titel Demutsübung 1 lässt vermuten, dass mehr dahinter steckt.
„1“ verweist auf den Beginn einer Reihe notweniger Wiederholungen. Übungen, um Demut zu erlernen sind Übung zur geistigen Vertiefung. Gläubige aller Religionen fasten, pilgern, stellen sich in den Dienst der Armen und praktizieren zahlreiche andere Wege, um bestimmte Verhaltensweisen und Einstellungen einzuüben. Demut ist in der christlichen Lehre eine essentielle Tugend. Es ist die angemessene innere Haltung des gläubigen Menschen zu seinem Schöpfer. Sie erkennt die eigene Begrenztheit gegenüber der Allmacht und Größe Gottes an, zugleich reflektiert sie aber auch die eigene Würde als sein Geschöpf. Der mittelalterliche Mystiker Meister Eckhart erklärte die Demut zur Grundvoraussetzung der Kontemplation. Der tief im Gebet versunkene Mensch verbindet sich auf mystische Weise mit Gott. Diese Haltung nimmt nicht nur der Christ ein, sondern ist in vielen Religionen der Welt anzutreffen. „Der Lohn für Demut und Gottesfurcht ist Reichtum, Ehre und Leben“, so heißt es im Buch der Sprichwörter (22,4). Diente Demutsübung 1 als Gebetsbank, wäre sie eine für Fortgeschrittene: Klein, ohne Ablage oder Stütze für Arme und Körper, ohne Polster für die Knie, der Raumtemperatur ausgesetzt. Dafür eine gnadenlose Selbstspiegelung im hochpoliertem Stahl. Es ist ein einfaches Industriematerial, eine unedle Eisen-Kohlenstoff-Legierung. Doch gerade durch die Spiegelung und seine zitierende Form erkundet das Werk sein Umfeld, nimmt Beziehungen zum Raum auf und eröffnet immanent immer neue Dimensionen.
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