Erik van Lieshout gehört zu den bekanntesten niederländischen Künstlern (*1968). Seine Projekte bestehen zumeist aus Multimediainstallationen, häufig verbunden mit Videoarbeiten, die in speziellen Räumen gezeigt werden und aus Collagen von Zeichnungen und Bildern. Themen wie Sex, Gewalt, Politik und Konsumkultur werden in seinen Arbeiten gleichermaßen humoristisch freimütig und respektlos behandelt. Dabei blickt er konsequent auf sich und sein engstes Umfeld, bespiegelt in Grenzerfahrungen das Selbst, um beispielhaft Probleme der Gesellschaft zu enthüllen.
Es gibt keine gerade Horizontlinie in der Zeichnung, die wir in der Neuen Synagoge Berlin zeigen. Das Ordnungsgefüge des Raumes scheint aus den Fugen geraten zu sein. Dunkle, dicke Kohlestriche dominieren das Blatt. Darüber schießen wild verschlungene harte Linien, als ob das Dargestellte hinter einem kaputten Fensterglas zu beobachten ist. Formen und Details sind jedoch nur angedeutet und schwer lesbar. Prominent ist ein Gesicht ins Bild gesetzt, das laut Titel Daniëlle, der Schwester des Künstlers, gehört. Doch diese großformatige Arbeit ist keine klassische Portraitzeichnung. Die Abgebildete ist nicht formatfüllend dargestellt. Stattdessen baut van Lieshout eine Distanz zum Betrachtenden auf. Durch ein gezeichnetes Etwas im Vordergrund als räumliche Barriere, durch die gewählte Untersicht, die Daniëlle von oben auf die Betrachter_innen blicken lässt und durch ihr veschattetes Gesicht. Sie wirkt unnahbar und undurchdringlich. Sind das Blessuren in ihrem Gesicht? Ist im Vordergrund eine Hand zu sehen, die zum Schlag ausholt? Lieshouts Themen sind sexuelle Gewalt und Inzest, rechts im Format ist ein Fötus zu erkennen. Das gesamte Motiv entzieht sich aber konkreter Deutung und verströmt eine unruhige, gewaltvolle Atmosphäre.
Ausstellungsansicht (Ausschnitt): Michael Endlicher, Dramenblech 110, 2004 – 2005, Courtesy KULTUMdepot Graz (li.), Erik van Lieshout, Daniëlle (Sister), 2013, Courtesy Sammlung Wemhöner, Foto: Marcus Schneider
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