Der gegenseitige Austausch sowie das Anerkennen und Respektieren von Unterschieden ist ein Kernthema der Arbeiten, wenn nicht das Lebensthema MwangiHutters. Die Kenianerin Ingrid Mwangi und der Rheinländer Robert Hutter lernten sich während ihres Kunststudiums in Saarbrücken kennen. Sie wurden nicht nur privat ein Paar sondern vereinten vor elf Jahren auch ihre Künstleridentitäten zu MwangiHutter. Denn das Selbst, so sagen sie, ist nicht losgelöst von anderen zu denken. Oft arbeitet MwangiHutter performativ und dokumentiert dies in Bild und Ton. Doch auch eigenständige Fotografien und Videos sowie Skulprturen, Installationen und Zeichnungen sind im Repertoire. Fragen von Identität und Gemeinschaft werden meist am oder mit Hilfe des eigenen Körpers verhandelt.
Die frühe Arbeit If (2003, C-Print auf Artsec, Acrylglas, 125 x 168 cm, Courtesy Privatsammlung Berlin, Foto Ausstellungsansicht oben: Marcus Schneider) reinszeniert ein nationalsozialistisches Propagandabild. Auf dieser Fotografie umschwärmen Frauen, die dem propagierten „Arier“-Ideal entsprechen, Adolf Hitler. MwangiHutter schlüpft selbst in die Rollen der Abgebildeten und stellt somit die Frage: Wie wäre unsere Beziehung vor 70 Jahren gewesen?
Vergleichsweise riesig wirkt die weiße Frauenfigur der Installation Proximity of Imperfect Figures (Foto unten). Sie erhebt sich wie die Statue of Liberty aus einem Meer von Händen. Es sind an die zweihundert Unterarme, hauptsächlich in Schwarz- und Grautönen gehalten, manche Weiß, die sich der Figur entgegenstrecken. Von der Frau selbst ist kein Körper, sind keine individuellen Details sichtbar. Sie hat keine Arme, trägt ein bodenlanges Kleid und ihr Kopf ist vollständig verhüllt von einer Haube, die nur kleine Atemlöcher aufweist. Das Künstlerpaar MwangiHutter formt die Installation aus semantisch mehrfach codierten Bildern. Von der Farbikonografie über das Material, dem Größenverhältnis bis hin zu den Formen eröffnen sich weitreichende Assoziationen. Sie reichen von kunsthistorischen Vorlagen (z.B. Madonnenbilder, Darstellungen der Synagoga, Armvotive und -reliquiare) bis zu aktuellen Medienbildern (Ertrinkende, Steinigungen). Der Titel der Arbeit Proximity of Imperfect Figures (Nähe unvollkommener Figuren) hält einen konkreten Bezug jedoch offen, verweist aber auf den Aspekt der Beziehung. In welchem Verhältnis stehen die Hände zueinander, wie ist ihr Bezug zur Figur? Was sagt das über Nachbarschaft und Miteinander aus, über das Selbst und Andere? – Wiederholt sich das Übel, gibt es eine Einübung des Guten?
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