Der Marburger Moritz Stumm (*1981) lebt und arbeitet in Berlin, wo er an der Universität der Künste studierte und Meisterschüler war. Für seine Zeichnungen beschränkt sich der Künstler auf schwarze Tinte. Die trägt er jedoch nicht in kalligrafisch feinen Linien, sondern breitflächig wie ein Aquarell auf. Seine Motive muten wie Fotografien aus politischen Tagesjournalen an. Gleichzeitig arbeitet Stumm mit starken Schwarz-Weiß-Kontrasten. Zwei Arbeiten zeigen wir in der Neuen Synagoge.

„Terror Worldwide“ zeigt die Rückenfigur eines Mannes im Gehen. Sein Gesicht ist im Profil erkennbar, da sein Blick einen entfernten Punkt auf der rechten Seite fixiert. Vielleicht befindet er sich in einem Bahnhofsgebäude oder ist auf dem Weg zu einer Veranstaltung. Denn vor ihm ist ein Menschengedränge an zwei Aus- oder Eingängen zu erkennen, auf dem Boden leuchtet eine Markierung. Der Mann trägt sehr kurzes Haar, eine Sonnenbrille auf der Stirn, Kapuzenpulli, weite Jeans mit Drachenmotiven und Turnschuhe. In der Hand eine Wasserflasche. Es könnte sich um eine gewöhnliche Alltagssituation handeln. Sehr prominent ins Bild gesetzt irritiert jedoch der Aufdruck seines Pullovers: „Terror Worldwide“ steht auf seinem Rücken und wurde Bildtitel. In der Schwarz-Weiß-Ästhetik und zusammen mit den anderen Zeichnungen suggeriert das Bild eine ebensolche Denkmöglichkeit, die den Mann kriminalisieren und in seiner Flasche Sprengstoff vermuten lassen könnte.

Moritz Stumm, Terror Worldwide, 2013

Moritz Stumm, Terror Worldwide, 2013

Das ist der Punkt, an dem Moritz Stumm anzusetzen scheint: Medienbilder, Sehgewohnheiten und stereotype Kategorien zu hinterfragen. Doch ‚verharmlosen‘ seine ästhetischen Zeichnungen Bilder der Gewalt? Oder führt uns Stumm vor, indem er ‚harmlose‘ Situationen so ins Bild setzt, dass sie uns an verbrecherische Szenarien erinnern?

Rätselhaft bleibt auch „Detroit“. Eine unscharfe Portraitzeichnung einer vermummten Person. Die Augen liegen im Schatten seines Basecaps, von dessen ehemaliger Aufschrift „Detroit“ nur noch „oit“ zu lesen ist. Die untere Gesichtspartie ist mit einem Tuch verhüllt, auf dem „UR“ steht.

Der Künstler schweigt und überlässt die Wahrnehmung und Interpretation seiner Werke jedem selbst.

 

Foto Ausstellungsansicht: Uwe Wittwer, Aquarell (Camp) – 82041, 2004, Aquarell (Camp) – 82054, 2004, Aquarell (Camp) – 82050, 2004, Courtesy Privatsammlung Berlin, Moritz Stumm, Terror Worldwide, 2013, Detroit, 2012, Courtesy Artist, Michael Endlicher, Dramenblech 103, Dramenblech 113, 2004 – 2005, Courtesy KULTUMdepot Graz, Alicja Kwade, Kohle, 2006, Courtesy SØR Rusche Sammlung, Oelde/Berlin, Michael Endlicher,  2004 – 2005, geprägtes Aluminiumblech, 40 x 40 cm