Der israelische Künstler polnischer Abstammung, Moshe Gershuni (*1936) setzt sich in seinem umfangreichen Werk seit über 45 Jahren mit dem Holocaust und Zionismus auseinander. Düster konstatiert er auch den fehlenden Einfluss der Kunst auf das reale Leben. Sie sei „das Resultat (…) von Hoffnungslosigkeit, die nicht besiegt, nur ausgedrückt werden kann.“ Und diesen Ausdruck praktiziert Gershuni so stark und symbolträchtig, dass er zu einem der weltweit bekanntesten israelischen Künstler geworden ist.

Moshe Gershuni arbeitete vorwiegend auf dem Boden. Farbspuren seiner Hände, Knie und Füße sind auf dem Malgrund der Arbeit zu sehen, die wir in St. Canisius zeigen. Es ist ein aufgefalteter Pappkarton, der so die Form eines Kreuzes annimmt. Im oberen Teil, anstelle des ikonografisch üblichen INRI-Schildes, hebt sich ein Davidstern deutlich vom gelben Grund ab. Den gelben ‚Judenstern‘ als Ausweis und Makel ‚erfanden‘ die Nationalsozialisten und zwangen alle in Deutschland lebenden Menschen jüdischer Abstammung, sich ab September 1941 mit ihm öffentlich zu kennzeichnen. Auf Gershunis Bild läuft der sechseckige Stern aus in einen Tropfen, in dem das hebräische Wort שם [Schem], d.h. „Name“ steht. Haschem (השם), „der Name“ ist eine Gottesbezeichnung für Adonaj, den Gott der Juden mit dem unaussprechlichen Namen. Darunter ist zu lesen: „Denn es heißt/Es wird gesagt“ [schenä‘ ämar], „dass er seinen Namen dort wohnen lässt“ [leschaken schemo scham]. Diese Zeile ist ein Vers der Tora wie auch der Bibel, der in Deuteronomium 12,11 nachzulesen ist: „Dann sollt ihr an die Stätte, die der HERR, euer Gott, erwählen wird, UM SEINEN NAMEN DORT WOHNEN ZU LASSEN, alles bringen, was ich euch gebiete: eure Brandopfer und eure Schlachtopfer, eure Zehnten und eure Hebopfer und all eure auserlesenen Gaben, die ihr dem HERRN geloben werdet,…“

Als Opfergabe könnten auch die roten ‚Wunden‘ gelesen werden, die sich beidseitig der Schrift befinden. 1979, ein Jahr zuvor, stellte Gershuni im Kunstmuseum Tel Aviv eine Serie an Readymades aus, die den Namen Blood of My Heart (Blut meines Herzens) trägt. Es sind 150 Porzellanteller, mit Farbklecksen in ebendiesem Rotton versehen. Wundmale, die die Gedanken auch wieder zum gekreuzigten Gott der Christen tragen.

Ob vom Künstler beabsichtig oder nicht, passen diese symbolischen Verbindungen in sein Wirken, dass sich stets gegen polare Vorstellungen richtete. Das Andere ist für Gershuni immer auch das Eigene.

Moshe Gershuni, o.T., 1980, Courtesy Sammlung Olaf Kühnemann Berlin,Tel Aviv

Moshe Gershuni, o.T., 1980, Courtesy Sammlung Olaf Kühnemann Berlin, Tel Aviv