Ausstellungsansicht Berliner Dom (Ausschnitt): Leiko Ikemura, Der Schrei, Terrakotta, Courtesy Leiko Ikemura, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Foto Marcus Schneider

Ausstellungsansicht Berliner Dom (Ausschnitt): Leiko Ikemura, Der Schrei, Terrakotta, Courtesy Leiko Ikemura, © VG Bild-Kunst, Bonn 2016, Foto Marcus Schneider

Zu den Figuren Leiko Ikemuras im Berliner Dom
Als ob sie immer dort gestanden hätten. Die zarten Keramikfiguren Leiko Ikemuras bergen sich lautlos in den Nischen des Berliner Doms. Keiner hat gemerkt, wie sie in die Kirche geschlüpft sind. Vier anonyme Frauengestalten, würdig gehüllt in Gewänder und Kapuzen. Leere Gesichter eines staunenden Entsetzens. Randfiguren eines beschädigten Lebens, stille Begleiterinnen der Traurigkeit, auf die die Menschen unten in der Kirche angewiesen sind. Gesichtslose Veroniken, deren versehrte Arme kein Tuch des Trostes mehr halten können. Selbst für ein Grüßen, ein Winken sind ihre Arme zu klein und zu schwach. Sie stellen ihre Wunden nicht aus. Die Figuren sind einfach da mit ihren stillen Schreien, die niemand hört, solange er von den leeren Gesichtern nicht erblickt wird. Sie konfrontieren mit jenem Leid, dem auch noch das Gesicht genommen wurde und dem nur der leere Blick bleibt. Nach und nach gewinnt der Betrachter die Figuren lieb und die Angst in ihm macht sich breit, dass sie verschwinden könnten, wie sie gekommen sind.
– Joachim Hake

Joachim Hake ist Direktor der Katholischen Akademie in Berlin