„Vom Stein her denken“ ist das Credo der Künstler Doris Schälling und Jörg Enderle. Die Bildhauer studierten beide an der Hochschule der Künste Berlin (heute UdK) und entschieden sich schon früh für das uralte Naturmaterial. Vor mehr als zehn Jahren siedelte das Paar nach Liège, in der Nähe des Steinbruchs von Sprimont in Belgien. Von dort aus reisen ihre Arbeiten in die Welt hinaus und finden beispielsweise in China vor dem Pekinger Today Art Museum Aufstellung.
Die Künstler arbeiten u.a. einerseits mit uraltem und damit einzigartigem Gestein, das der Natur entrungen und von Künstlern geformt wurde; andererseits mit Polystyrol, das kontrastiert und doch harmonisiert. Dieses Material ist ein geschäumter, weit verbreiteter Kunststoff. Dieses Spiel mit konträren Materialien findet sich in den im Rahmen von SEIN.ANTLITZ.KÖRPER. in St. Thomas von Aquin und der Katholischen Akademie ausgestellten Werken Daniel ou les Couches de Temps, Bedded und Schlafende Lava wieder. Spanplatten, Gips und Schaumstoffe treffen auf Mainsandstein, Basaltlava und immer wieder „Petit Granit“.
Der dunkelgraue Kalkstein zeugt von über 300 Millionen Jahre Geschichte, seine silbrig-kristallinen Einsprengsel sind Spuren abgelagerter Fossilien. Herausgenommen aus einem für Menschen unvorstellbaren Zeitenlauf, quasi Zeugnis der Ewigkeit, verströmt das Gestein die Kraft des überzeitlichen Unterwegsseins, eine unendliche Widerspiegelung des eigenen Daseins. Und das auf eine sehr zurückhaltende doch einnehmende Weise, selbst bei monumentaleren Objekten wie Meno Mosso.
Schälling und Enderle selbst erfahren das Arbeiten an ihren Skulpturen als explorativen Prozess, sie folgen der Form des Materials. Und es ist genau diese meditative, dialogische Qualität des Steins, die die Bildhauer seit Jahrzehnten in die Steinbrüche und ihr Werk vorantreibt. Um sich auf das Werk dieser Künstler einzulassen, muss sich der Besucher Zeit nehmen. Dann erschließt sich die Gegenwart im Licht der Vergangenheit.
Text: Pater Georg Maria Roers SJ
Statements von Doris Schälling und Jörg Enderle:
„Die Frage, in welchem Maß bzw. in welchen Proportionen und in welchem Material die Ausstrahlungskraft einer Skulptur bestimmen, hat uns im Besonderen in Bezug auf die Materie Stein beschäftigt.“
„Jeder Künstler muss Sinn für Spiritualität mitbringen. Kunst ohne Geist geht in keiner Kultur oder Religion.“
„Unser Ansatz ist säkular und (vielmehr) theoretisch philosophisch. Und doch gibt es Schnittstellen (zur sakralen) Spiritualität. Zum einen, wenn wir das an zwei Punkten festmachen wollen:
– durch den Versuch das Individuelle, den persönlichen Ausdruck aus dem Werk zu nehmen. Zudem arbeiten wir oft im Team/Teams und bauen auf Kommunikation und Kooperation.
– zum anderen durch den Umgang mit den Materialien. Das ist im Wesentlichen die Materie Stein, die durch ihre Natur schon mit dem großen Ganzen verbunden ist.“
„Wenn man Stein als totes Material ansieht, dann endet dieser beim Steinmetz. Heute und für uns ist Stein Materie – das hat sich in unserem Ansatz über die fernöstliche Philosophie, wie über die Quantentheorie manifestiert. Mit dieser Erkenntnis kommt man aus einer Enge zu einer ganzheitlichen Betrachtung. Die lässt uns den Ort Steinbruch aber auch den (heiligen) Berg in das Konzept mit einschließen.“
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