Die polnischstämmige Künstlerin Alicja Kwade (1979) kommt aus einer kunstaffinen Familie. Ihr Vater und Bruder arbeiten als Galeristen. Als Kind erlebte sie, wie die väterliche Galerie immer wieder Randalen und Übergriffen ausgesetzt war. Sie verstand, dass Kunst gesellschafts-relevante Kräfte entfalten und freisetzen kann, dass sie polarisiert und auch im physischen Sinne auf Menschen wirkt. Die Familie zog nach Deutschland, Kwade studierte später in Berlin Bildende Kunst und war schon in jungen Jahren erfolgreich. Die Künstlerin hat aus ihren Erfahrungen Konsequenzen gezogen und beschreibt sich heute als jemand, der gern notwendige Risiken eingeht, um Dinge ändern zu können.

In ihren konzeptionellen Arbeiten, die meist Installationen sind, stellt Alicja Kwade Konstrukte des Alltäglichen und Selbstverständlichen in Frage und entlarvt immer wieder Wahrheiten, Werte und Bedeutungen als kulturelle Zuschreibungen. Aus sonst unbeachteten Alltagsgegenstände werden Kostbarkeit, deren Wert jedoch nicht im Material selbst liegt. Für Bordsteinjuwelen, 2012 ließ die Künstlerin 1000 kleine Steine, die sie auf den Straßen Berlins gefunden hatte, wie Edelsteine facettieren. Oder sie schüttet einen glitzernden Haufen feingemahlen Staubs auf, produziert aus über 2000 kg Champagnerflaschen (1979 leere Liter bis zum Anfang,2010).

Alicjas Kwade Installation Kohle, die wir im Rahmen von SEIN.MTLITZ.KÖRPER. in der Neuen Synagoge Berlin zeigen, ist nicht nur ein Wortspiel. Wer diese mit 24 karätigem Gold überzogene ‚Kohle hat‘, besitzt ein kleines Vermögen. Nicht nur, weil es das Werk einer anerkannten Künstlerin ist. Gold und Kohle sind zwei Schätze der Erde. Die unterschiedliche Bedeutung, die wir ihnen zusprechen, macht sie entsprechend ‚wertvoll‘.

Werte sind subjektiv. Der Philosoph Georg Simmel hat schon 1900 in seiner umfangreichen Abhandlung Philosophie des Geldes analysiert, wie das an sich profane Zahlungsmittel im Laufe der Geschichte immer mehr an Einfluss in allen Bereichen gewonnen hat und schließlich zum Selbstzweck geworden sei. Und er warnte davor, dass Geld zum Gott werde. Heute, im digitalen Zeitalter, wird das an sich schon abstrakte Geld zu verschlüsselten Codes irgendwelcher Rechenmaschinen. Vielleicht hält auch daher ungebrochen die Faszination für Gold an. Ein Metall, dass durch die Geschichte hindurch und Kulturen übergreifend für Luxus und Repräsentationszwecke eingesetzt wurde. Ab dem 6. Jahrhundert diente Gold in Form von Goldmünzen als Zahlungsmittel. Auch heute sind Goldmünzen und Barrengold als Wertanlage und als internationales Zahlungsmittel anerkannt. Nun handelt es sich aber nicht um Goldbarren, sondern um Kohlebriketts, die Alicja Kwade kunstvoll aufgetürmt hat. Lassen wir uns ermutigen, unsere Wertbegriffe immer wieder neu zu überdenken, statt kulturelle Normen unbesehen zu übernehmen.

Uwe Wittwer, Aquarell (Camp) - 82041, 2004, Courtesy Privatsammlung Berlin, Uwe Wittwer, Aquarell (Camp) - 82054, 2004, Courtesy Privatsammlung Berlin, Uwe Wittwer, Aquarell (Camp) - 82050, 2004, Courtesy Privatsammlung Berlin, Moritz Stumm, Terror Worldwide, 2013, Courtesy Artist, Michael Endlicher, Dramenblech 103, 2004 – 2005, Courtesy KULTUMdepot Graz, Moritz Stumm, Detroit, 2012, Courtesy Artist, Alicja Kwade, Kohle, 2006, Courtesy SØR Rusche Sammlung, Oelde/Berlin, Michael Endlicher, Dramenblech 113, 2004 – 2005, Courtesy KULTUMdepot Graz, Foto: Marcus Schneider

Uwe Wittwer, Aquarell (Camp) – 82041, 2004, Courtesy Privatsammlung Berlin, Uwe Wittwer, Aquarell (Camp) – 82054, 2004, Courtesy Privatsammlung Berlin, Uwe Wittwer, Aquarell (Camp) – 82050, 2004, Courtesy Privatsammlung Berlin, Moritz Stumm, Terror Worldwide, 2013, Courtesy Artist, Michael Endlicher, Dramenblech 103, 2004 – 2005, Courtesy KULTUMdepot Graz, Moritz Stumm, Detroit, 2012, Courtesy Artist, Alicja Kwade, Kohle, 2006, Courtesy SØR Rusche Sammlung, Oelde/Berlin, Michael Endlicher, Dramenblech 113, 2004 – 2005, Courtesy KULTUMdepot Graz, Foto: Marcus Schneider

Bild oben: Alicja Kwade, Kohle, 2006, Courtesy SØR Rusche Sammlung, Oelde/Berlin, Michael Endlicher, Dramenblech 113, 2004 – 2005, Courtesy KULTUMdepot Graz, Martin Eder, Reinigung, 2010, Courtesy SØR Rusche Sammlung Oelde/Berlin, Foto: Marcus Schneider