Die Kölner Medienkünstlerin und Philosophin Claudia Schink, die sich in den letzten 20 Jahren in verschiedenen Medien wie Malerei, Text (auch als kulturwissenschaftliche Dissertation), Objekt oder Video mit dem „Abendland“ auseinandergesetzt hat, widmete eine Facette dieses langen Forschungsweges dem „Christentum“. Sie fasst es vor allem mit der Ikonografie des Schmerzes: Was auf den ersten Blick wie ein zitathaftes Aufgreifen christlicher Marter- bzw. Märtyrerinnen-Ikonografie in ästhetisch-schönem Reiz anmutet, ein Erinnern in einer Zeit, die diese kulturellen Codes längst vergessen zu haben scheint, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen in einer tiefgründigen Ambivalenz. Das Glas ist schließlich ein prekäres Medium, den Körper oder die Marterwerkzeuge auszuformen. Vielmehr wird dadurch die Vorherrschaft des Geistes vor dem Körper zelebriert, oder schärfer formuliert: eine eng geführte Passionsfrömmigkeit als die Sakralisierung des Leidens angeklagt und damit „die Herabwürdigung des Fleisches und der Frau, die Stigmatisierung des Körpers als ein Herd des Übels, welcher durch Leid und Schmerz niedergehalten werden muss“ (C.S.) erinnert. Schink führt eine Entkörperlichung im Akt der radikalsten Ver-Körperlichung vor, eine Erfahrung des Schmerzes im Akt des Martyriums, als Moment radikalster Vereinsamung, als „SOLILOQUIA“, als Selbstgespräch vor dem unmittelbaren Eintritt ins Jenseits.

Interview mit Claudia Schink

 

In ihrer Auseinandersetzung mit dem „Christentum“ und seiner Prägung europäischer Kultur entlässt Claudia Schink die BetrachterInnen nicht ohne klar codierte Bilder. Man sieht kostbare, höchst artifiziell hergestellte, mundgeblasene Leidenswerkzeuge, die mit der Passionsikonografie verbunden sind: Dornenkrone, Kreuznägel, Ketten, Pfeile. In Kunstworten, die lateinisch klingen, werden damit im Titel historisch bedeutsame Orte des abendländischen Christentums definiert; diese haben aber damit für die Künstlerin auch symbolische Konnotationen von Dogmenfixierung, Glaubensspaltung, Klosterzucht und Kreuzzugpredigt, Missbrauch von Macht und Hexenverfolgung im Schlepptau: „Rom“, „Constantinopel“, „Cluny“, „Avignon“, „Cöln“. Die Präsentationsform erinnert an kostbare Reliquien, aber ebenso an kostbaren Schmuck. Die Dornenkrone etwa passt auf ein Frauenhaupt und wirkt deshalb zierlich wie ein dornenbestücktes Collier. In subversiver Weise sucht Claudia Schink durch die Feminisierung ikonografisch gebundener Codes den patriarchalen Bezug zu enttarnen.

Claudia Schink
Geb. 1960, lebt und arbeitet als Künstlerin und Autorin in Köln und Berlin. Claudia Schink studierte Philosophie und Germanistik an der Universität Köln (MA 1987) sowie Malerei an der Fach­hochschule Köln (Meister­schülerin 1987); später absolvierte sie ein Postgraduierten­studium an der Kunsthochschule für Medien Köln (Diplom 2005). 2006 promovierte sie an der philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Ihre Werke wurden in Galerien und Institutionen sowie auf internationalen Messen (Art Basel, Armory Show New York, Art Cologne) gezeigt; ihre wissenschaftliche Arbeit wurde durch die Deutsche Forschungs­gemeinschaft (DFG) und den Deutschen Akademischen Austausch­dienst (DAAD) gefördert.

Claudia Schink, Avignon, 1998, Cöln, 1999, Cluny, 1999, Constantinopel, 1999, Rom, 1996, Courtesy KULTUMdepot Graz, Foto: Marcus Schneider

Ausstellungsansicht Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum: Claudia Schink, Avignon, 1998, Cöln, 1999, Cluny, 1999, Constantinopel, 1999, Rom, 1996, Courtesy KULTUMdepot Graz, Foto: Marcus Schneider